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Ein ulmiges Gefühl

Ein ulmiges Gefühl

Mit einem Plaster auf dem rechten Arm sitze ich im ICE von Ulm Richtung Köln. Ich werde meine Geschwister besuchen und mit ihnen einen kleinen Roadtrip unternehmen. Christian wird mit Freunden bzw. seiner Familie Urlaub machen.

Die letzten Tage begleitet mich so ein seltsames Gefühl. Ein ulmiges Gefühl. Weder gut noch schlecht oder eher: sowohl als auch. Vielleicht ein grundlegend positives Gefühl mit einem bitteren bzw. melancholischen Beigeschmack? Ich kann es nicht so richtig beschreiben, aber deswegen heißt es ja auch "Gefühl". Etwas, das sich eben irgendwie anfühlt...

Ein ulmiges Gefühl, dass unsere gemeinsame Reise jetzt zuende ist. Die Zeit kam mir einerseits ewig vor. Eine Zeit, in der wir aufregende, wunderschöne, anstrengende, emotionale und auch entspannte Momente erlebt haben. Wir haben tolle Menschen kennengelernt und Herausforderungen zusammen gemeistert. Während der Reise schien die Welt um uns herum stehen geblieben zu sein. Kein Alltag, keine Termine, keine Routine. Nur wir zwei (drei) und unsere gemeinsame Zeit hat gezählt. Eine Zeit, die uns weder Diabetes noch Corona nehmen kann. Je näher wir Deutschland kamen, desto schneller schien die Zeit jedoch zu vergehen. Und am Ende geht es dann doch so schnell, wir sind wieder in Deutschland. Etwas reisemüde freuen wir uns aber auch auf unser Leben in Deutschland.

Ein ulmiges Gefühl, wieder in Deutschland zu sein. Die Maske fast überall tragen und selbst einen Schnelltest für eine Übernachtung auf dem Stellplatz am Ulmer Donaubad vorzeigen zu müssen. Auch hier stellte die Durchführung und Kontrolle des Tests ein größeres Ansteckungsrisiko als das Campen selbst dar.

Ein ulmiges Gefühl, das erste mal nach so langer Zeit wieder im Kino zu sitzen und einen Film zu schauen. Hat mir das gefehlt. Ein ulmiges Gefühl verursachte auch die Kassiererin, welche auf meine Nachfrage, wie viel Gramm wohl die kleine Popcorntüte wiegt, herumtelefonierte und in Ordnern blätterte. "Ach, haben Sie Diabetes"?, fragte sie freundlich und blieb bei ihrer Recherche leider erfolglos, sodass ich die Menge an Popcorn und somit auch das zu injizierende Insulin (leider ebenfalls recht erfolglos) schätzen musste. Den Film und auch das leckere Popcorn konnte ich trotzdem sehr genießen. Und wieso habe ich dabei ein ulmiges Gefühl? Die Hilfsbereitschaft und Aufgeklärtheit der Frau empfinde ich als durchweg positiv, und dennoch fühle ich mich in der Situation als "anders" und schenke meiner Krankheit mehr Aufmerksamkeit als es mir während dieser entspannten Freizeitaktivität eigentlich lieb ist. Aber so ist das eben, Diabetes erfordert Aufmerksamkeit, ich muss mich eben immer um ihn kümmern. 

Ein ulmiges Gefühl, endlich geimpft zu sein. Was haben wir nach dieser Impfung in verschiedenen Ländern gesucht, fast wie die Jagd nach dem heiligen Gral. Und nun haben wir sie letztendlich doch in Deutschland, in einem kleinen Ort nahe Ulm in einer Hausarztpraxis eines Kumpels erhalten. Den Termin wollte ich ebenfalls nutzen, um mir ein neues Rezept für Blutzuckerteststreifen verschreiben zu lassen. Mein durchaus nicht freiwillig gewähltes Begehr stieß auf Unverständnis bei der Ärztin. Nach Erklärungs- und Rechtfertigungsversuchen, warum meine Rezepte denn nicht gereicht hätten, wo mein Hausarzt sitzt und warum ich überhaupt jetzt welche bräuchte, fand ich mich in einer unangenehmen Situation vor anderen Patient*innen wieder, in der ich um meine medizinischen Hilfsmittel feilschen musste. Sie ließ sich nur auf zwei Packungen hochhandeln, obwohl ich ihr erklärte, dass ich für meinen Urlaub mehr benötigen würde...Danke für (fast) nichts, dachte ich mir. Wenigstens die Impfung wird einem mittlerweile in Deutschland hinterhergeworfen... 

Ein ulmiges Gefühl, Slowenien nach drei Wochen eigentlich früher als geplant zu verlassen, um einer strengeren Einreisebeschränkung samt Testpflicht zu entgehen. Andererseits hatten wir auch keine Lust mehr, alle drei Tage bei jedem Wechsel des Campingplatzes einen neuen negativen Test vorzuzeigen. Also verließen wir das wunderschöne Slowenien, in dem wir zuvor von Bovec aus weiter entlang der Socca über die Jülischen Alpen nach Kranjska Gora gefahren waren und weitere atemberaubende Wanderungen unternommen hatten. 

Ein durchaus positives Gefühl verschaffte mir Tüte, die in letzter Zeit einige Unterzuckerungen angezeigt hatte. Bei einer Unterzuckerung, die ich sogar selbst noch nicht richtig wahrgenommen hatte, stupste sie mutig und kräftig von hinten gegen meine Beine als ich gerade in den Bulli steigen wollte. Ein tolles Gefühl, fast etwas stolz ;-) 

"In Kürze erreichen wir den Kölner Hauptbahnhof". Liebe Menschen, ich muss aussteigen und verabschiede mich gleichzeitig mit meinem letzten Reisebericht. Vielen Dank, dass ich meine Erlebnisse mit euch teilen durfte. Ein ulmiges Gefühl, dass die Reise dort endet, wo sie begonnen hat. Kölle Alaaf, ach nee, doch net, et is ja immer noch Corona! Ein ulmiges Gefühl... 















Eure Zuckertüten 



Kommentare

  1. Ein herzliches Dankeschön für die interessanten Berichte, die ich immer mit Spannung erwartet habe. So habe ich die Reise in Gedanken mit Euch erlebt. Die vielen Erlebnisse werden sicher noch lange in eurer Erinnerung bleiben. Dir, liebe Hannah, wünsche ich noch eine schöne Zeit mit deinen Geschwistern und freue mich auf ein Wiedersehen.

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  2. Danke für die schönen Aufnahmen. Sie machen das Ganze komplett!

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